Wenn der Fuchs den Zmittag stiehlt ... unterwegs in der Zentralschweiz
Die Gruppe Milan begibt sich jedes Jahr auf Wanderschaft. Während des Gruppenlagers im August wandern wir einige Tage durch die Schweiz. Dabei tragen wir alles, was wir brauchen in grossen Rucksäcken mit. Übernachtungsorte suchen wir spontan am jeweiligen Zielort – Bauernhöfe, leere Ställe, Scheunen, solange wir ein Dach haben, sind wir nicht wählerisch.
Im August 2022 führte uns der Trekk, wie wir die mehrtägige Wanderung nennen, von Brunni in der Nähe von Einsiedeln in vier Tagen bis nach Unterägeri.
Die erste Nacht wurde dann auch gleich die erlebnisreichste des diesjährigen Trekks. Mit ständigem Blick auf den Wetterradar entschieden wir, in der ersten Nacht zu biwakieren, also im Freien zu schlafen. Die Wetterprognose änderte sich von Stunde zu Stunde, es wurde jedoch immer nur etwas Regen in den frühen Morgenstunden vorausgesagt. Wir beschlossen deshalb, uns unter Bäume am Waldrand zu legen, um trocken zu bleiben.
In der Nacht wurden einige dann von lauten Geräuschen geweckt. Ein Teammitglied rannte, die Stirnlampe auf dem Kopf montiert und den Wanderstock in der Hand, wie von der Tarantel gestochen durch den Wald. Während die einen an eine Magenverstimmung dachten, zeigte sich schon bald der wahre Grund für dieses seltsam anmutende Verhalten: Ein Fuchs hatte sich an unseren Lebensmittelvorräten gütlich getan und, von Zwiebeln und Kartoffeln einmal abgesehen, unser Mittag – und Abendessen geklaut und musste vertrieben werden.
Kaum hatten sich alle von dieser Aufregung erholt und waren wieder eingeschlafen, drohte bereits das nächste Unheil. Es begann zu regnen. Ein Blick auf den Wetterradar zeigte rasch, dass ein heftiges Gewitter im Anzug war, das am Abend noch nicht vorhergesagt wurde.
Wir beschlossen, unseren Schlafplatz aufzugeben und uns in zwei Gruppen aufzuteilen. Die eine Gruppe würde den Weg wenige hundert Meter zurückgehen und dort unter dem Dach eines Skiliftes weiterschlafen. Die andere Gruppe würde den Weg weiter hinauf gehen, um unter dem Vordach einer Alpwirtschaft Zuflucht zu suchen. Die Kinder und Jugendlichen wurden geweckt, zogen sich in aller Eile warm an und mussten durch das einsetzende Gewitter mit Sack und Pack ins Trockene flüchten.
Glücklicherweise waren die restlichen beiden Nächte ruhiger und erholsamer als diese erste. Wir fanden bei gastfreundlichen Menschen Unterschlupf und auch die abhandengekommenen Lebensmittel durften wir der Alpwirtschaft abkaufen.
Man mag sich fragen, welchen Sinn ein solcher Trekk hat. Er ist planungsintensiv, anstrengend und strapaziös, sowohl für die Kinder und Jugendlichen als auch fürs Team, nicht selten kommt jemand an seine Grenzen und der Komfort lässt auch zu wünschen übrig.
Und dennoch veranstalten wir jeden Sommer solche Wandertage. Warum also?
Für mich gibt es viele Gründe, einige davon werde ich hier nennen. Ein Argument für den Trekk ist der Aspekt der Erlebnispädagogik. Wer kann schon von sich behaupten, von einem Fuchs bestohlen worden zu sein? Solche Erlebnisse bleiben in Erinnerung. Aber auch andere, weniger lustige Momente gehen nicht vergessen. Solche, in denen man sich überwinden musste, in denen man sich mit eigenen Grenzen konfrontiert sah und es schlussendlich doch schaffte. Im Alltag kann man in schwierigen Situationen diese Erinnerungen wachrufen und so das eigene Potenzial ausschöpfen: «Ich bin in der Lage, schwierige Situationen zu meistern, ich schaffe das.»
Ein weiteres Argument ist die Beziehungsgestaltung. Erwachsene und Kinder und Jugendliche sitzen im selben Boot, sie alle haben ihre Herausforderungen zu meistern und haben die gleiche Aufgabe: Den Zielort zu Fuss erreichen. Dieser Umstand stärkt den Zusammenhalt, lässt zwischenmenschliche Beziehungen entstehen oder stärkt sie und legt damit eine Grundlage für ein gelingendes Miteinander im Alltag.
Auch gibt es auf dem Trekk weniger Anforderungen als im Schul – und Gruppenalltag. Es müssen keine Ämtli und Hausaufgaben erledigt werden, kein Zimmer und kein Gruppenhaus in Ordnung gehalten und auch die Körperhygiene darf vernachlässigt werden. Die dadurch gewonnene Zeit kann ins gegenseitige Kennenlernen und ins Schaffen von Erinnerungen investiert werden.